Logik in der Linguistik in LiB


Beteiligte Arbeitsgruppen:
Beteiligte Wissenschaftler:

Im Schwerpunkt Computerlinguistik des Fachs Kommunikationsforschung und Phonetik werden formalwissenschaftliche Methoden in den Bereichen Syntax und Semantik natürlicher Sprachen sowie bei der Implementierung sprachverarbeitender Softwaresysteme mit Techniken des logischen Programmierens vermittelt und angewandt.

Formale Theorien natürlicher Sprachen legen dem beobachtbaren Sprachgebrauch ein von bestimmten "störenden" Performanzbedingungen der Sprachbenutzung unabhängiges Sprachsystem zugrunde, das sich als formale Sprache (ähnlich einer Formelsprache aus Logik oder Mathematik oder einer Programmiersprache) beschreiben lässt. Die syntaktischen Regelsysteme natürlicher Sprachen sind jedoch weit komplexer als die Regelsysteme artifizieller Sprachen, die ja gerade im Hinblick auf ihre leichte Beschreibbarkeit und Übersichtlichkeit entworfen werden. Grammatikformalismen, die einerseits die universellen strukturellen Gemeinsamkeiten verschiedener natürlicher Sprachen widerspiegeln und die andererseits zu überschaubaren und handhabbaren Regelsystemen führen, sind Gegenstand linguistischer Forschung. Dabei spielen Grammatikformalismen, die kontextfreie Grammatiken (die üblicherweise zur Beschreibung praktisch eingesetzter formaler Sprachen verwendet werden) mit Attribut-Wert-Logiken kombinieren, eine prominente Rolle in der aktuellen Forschung und Lehre. [Das jeweils im Sommersemester angebotene Proseminar Grammatiktheorie behandelt einen derartigen Grammatikformalismus und seine Anwendung auf das Deutsche und Englische.]

Die Betrachtung natürlicher Sprachen als formale Sprachen bildet die Basis für die formale Einführung logisch-semantischer Relationen zwischen natürlichsprachlichen Ausdrücken und zwischen Ausdrücken der Sprache und formalen Modellen der Welt, auf die sich die Sprache bezieht. Die Disziplin, die sich mit derartigen Fragen befasst, ist die formale Semantik natürlicher Sprachen. Sie beantwortet Fragen, wie beispielsweise die, wann ein Satz aus einer Reihe anderer Sätze logisch folgt, wann zwei Sätze einander widersprechen, wie sich die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks aus der Bedeutung seiner Teilausdrücke zusammensetzt und mit welchen Modellen ein Satz verträglich ist. Eine formalsemantische Beschreibung natürlicher Sprachen muss jedoch den Spezifika natürlicher Sprachen Rechnung tragen, darunter z.B.: (1) Ausdrücke natürlicher Sprachen sind oft (genauer: fast immer) mehrdeutig und (2) weithin vage, (3) ihre Bedeutung ist oft kontextabhängig, (4) bestimmte Prinzipien der Prädikatenlogik gelten nicht, (5) natürliche Sprachen enthalten quantifizierende Ausdrücke, die in der Prädikatenlogik erster Stufe nicht ausdrückbar sind. Logiken, die diesen Phänomenen Rechnung tragen sind: (1) Logiken mit Unterspezifikationsmöglichkeit, (2) Fuzzy-Logiken, (3) Logiken der dynamischen Semantik, (4) intensionale Logiken, (5) Logiken mit generalisierten Quantoren. Integriert werden diese Logiken oft in einer Typenlogik mit Lambda-Kalkül. [Im jeweils im Wintersemester angebotenen Proseminar Formale Semantik I geht es das Verhältnis eines Fragments des Deutschen zur Prädikatenlogik erster Stufe. In der unregelmäßig angebotenen Übung Formale Semantik II werden verschiedene genannte Erweiterungen der Prädikatenlogik erster Stufe, die natürlichsprachlichen Spezifika Rechnung tragen, betrachtet.]

Bei der Nutzbarmachung theoretischer Ansätze der formalen Semantik in Softwaresystemen begegnet man wegen der hohen Komplexität, die bei der formalen Beschreibung der Bedeutung natürlichsprachlicher Ausdrücke schnell erreicht wird, vielfach Effizienzproblemen. Den sich daraus ergebenden Fragen widmet sich die Computersemantik (computational semantics) als relativ junger Zweig der Computerlinguistik.

Bei der natürlichsprachlichen Interaktion ziehen wir aber vielfach weitergehende Schlussfolgerungen aus Äußerungen und erwarten dies auch vom Dialogpartner, als durch die Bedeutung einer Äußerung isoliert betrachtet, zu rechtfertigen wäre. Dies liegt daran, dass Äußerungen immer in einem Sprachhandlungskontext eingebettet sind, in dem Hintergrundwissen, Wissen der Sprecher übereinander, Vermutung von Absichten, Konventionen des Sprachgebrauchs, sprachbegleitende Handlungen und Ereignisse und die phonetische (oder grafische) Realisierung einer Äußerung eine Rolle spielen. Zumindest partiell sind diese Schlussfolgerungen formalen Beschreibungen zugänglich. Die theoretischen Ansätze werden unter den Bereich der formalen Pragmatik subsumiert. [Lehrveranstaltungen zur formalen Pragmatik werden unregelmäßig angeboten. Im Wintersemester 2002/03 findet ein Hauptseminar zu Themen der formalen Pragmatik statt.]

Nicht nur als Basis der Theoriebildung dienen formalwissenschaftliche Methoden in der Computerlinguistik, sondern sie kommt auch als Werkzeug der softwaretechnischen Umsetzung zum Tragen. Softwaresysteme zur Verarbeitung natürlicher Sprachen, die sich auf die oben genannten theoretischen Ansätze stützen, lassen sich mit Methoden des logischen Programmierens relativ effizient entwickeln. [In der jeweils im Wintersemester stattfindenden Übung Fortgeschrittenes Programmieren: Einführung in Prolog wird die logische Programmierung am Beispiel von Prolog praxisnah eingeführt. Um spezielle Verfahren zur Verarbeitung natürlicher Sprachen in Prolog geht es in einem im Zweijahresrhytmus angebotenen ersten Teil eines zweisemestrigen Hauptpraktikums B. Im zweiten Teil des Hauptpraktikums wird in Projektarbeit ein natürliche Sprache verarbeitendes Softwaresystem auf der Basis von Methoden des logischen Programmierens und der Computersemantik implementiert.]


Last changed: April 23rd, 2002